Nach Bauchgefühl

Mag. Ruth Fischer: „Der Internationale Anti-Diät-Tag verleiht der Problematik Essstörungen neues Gewicht. Doch mit Fasten und Verzicht geht vor allem für Frauen ein nicht selten unstillbarer Lebenshunger einher.“
Mag. Ruth Fischer Geschäftsführung Apomedica

Jedem Thema seinen Tag – mittlerweile hat sich zu beinahe jedem Sinn und Unsinn ein eigener Welttag etabliert. So reicht die Bandbreite internationaler Fixtermine vom Weltherztag über den Tag der Seifenblasen bis zum Tag des Deutschen Butterbrotes. Aus der Liste denkwürdiger Tage ließen sich wohl einige vernachlässigen, anlässlich seiner Relevanz für Frauengesundheit möchte ich heute aber einen ganz besonders betonen – den Anti-Diät-Tag. Im Jahr 1992 von der britischen Feministin Mary Evans Young ins Leben gerufen, stemmt sich der Welttag nicht nur dem Thema Essstörungen, sondern auch dem Streben nach Perfektion entgegen.

Mediales Schwergewicht: „Size Zero“

Gerade in einer emanzipierten Gesellschaft, wie wir in einer leben, sind die Ansprüche an Frauen so hoch wie noch nie. Tag für Tag zwängt sich Frau in das Korsett von Ehe, Karriere und Mutterrolle, um den Ansprüchen der Gegenwart zu genügen. Doch als wäre das nicht schon Herausforderung genug, gilt es in allen sozialen Haltungen auch noch Stilbewusstsein, Klasse und Perfektion zu wahren. Letztere hat vor allem in den letzten Jahren eine Reduktion auf Äußerlichkeiten erfahren, die jedem Trend zur Individualität spottet. Insbesondere die Medien vermitteln ein Idealbild, das in seinen Ansprüchen an schiere Utopie grenzt und im echten Leben kaum gelebt werden kann. So wird mittlerweile jedes Titelblatt zum Sujet für einen neuen Diät-Trend. Die Hungerkuren kleiden sich in Euphemismen wie Low-Carb-, Atkins-, Paleo-, Low-Fat-, Glyx- oder gar Nulldiät und fächern sich auf in hundertfache Variationsmöglichkeiten. Das Thema Abnehmen erfährt im Agenda-Setting ein allmählich ausuferndes Ausmaß. Die Attribute schlank und schön werden zu Synonymen und die Toleranzgrenze für Konfektionsgrößen fern der standardisierten Size Zero geht gegen Null. Die Medienwirkung mündet in einen regelrechten Fitnesswahn, der jedes Tagessoll auf das Ausmaß absoluter Erschöpfung ausdehnt. Gelingt der Brückenschlag zwischen Job, Haushalt, Familie und Modeloptik nicht, so sind zumeist Frustration und Selbstzweifel, im schlimmsten Fall jedoch Essstörungen die Folge.

Mediales Schwergewicht: „Size Zero“

Essstörungen zunehmend auch bei älteren Generationen ein Thema

Von Anorexie, Bulimie oder Adipositas sind aber keineswegs nur mehr junge Frauen unter 20 Jahren betroffen. Zunehmend verfallen auch Frauen in der Lebensmitte, insbesondere im Klimakterium, der Sucht schlank zu sein. Die unrealistischen Schönheitsideale setzen besonders Frauen der Generation 50 Plus unter Druck, bedenkt man die mit dem Wechsel einhergehenden Risikofaktoren für Gewichtszunahme. So begünstigt der veränderte Hormonhaushalt die Fetteinlagerung, die Muskelmasse bildet sich zurück und der Grundbedarf sinkt bei gleichzeitiger Bewegungsunlust. Eine Gewichtszunahme stellt sich oft trotz unveränderter Lebensgewohnheiten ein. Zwar spielen in die Entwicklung von Essstörungen weitaus mehr Faktoren als nur das Gewicht mit ein. Nach neuesten Kenntnissen liegen Essstörungen komplexe Ursachen und Kompensationsstrategien zugrunde. Nichtsdestotrotz etabliert sich in der älteren Generation aufgrund der ungünstigen Umweltfaktoren eine neue Risikogruppe für Magersucht, Ess-Brech-Sucht oder Fresssucht, die die Diätpropaganda noch gefährlicher erscheinen lässt. Denn einerseits bergen Nulldiäten nicht nur Risiken wie Mangelerscheinungen, Herzrhythmusstörungen, Kurzatmigkeit, Ermüdungssymptome, Osteoporose und ein geschwächtes Immunsystem, sondern sie nehmen auch ein Stück Lebensfreude. Denn Essen ist nicht nur Mittel zum Zweck, es ist vor allem sozialer Kitt, der Menschen zusammenhält.

gewicht halten

Um auch im Alter sein Gewicht halten zu können, sollte man seine Snacks mit Bedacht auswählen.

 

Und weil Lebensglück und -freude die grundlegenden Voraussetzungen für Gesundheit sind, möchte ich mich zum Anti-Diät-Tag gegen das Hungern und für mehr Ernährungsbewusstsein aussprechen. Ein paar Tipps, um auch mit zunehmendem Alter sein Gewicht zu halten und das Essen auch weiterhin in vollen Zügen genießen und wertschätzen zu können, möchte ich bei dieser Gelegenheit ebenfalls mit Ihnen teilen:

  • Planen Sie zumindest 30 bis 60 Minuten Bewegung täglich in Ihren Tag ein. Mit Bewegung ist aber keineswegs Hochleistungssport gemeint. Schon Nordic Walking, Yoga oder einfach nur ein ausgedehnter Spaziergang an der frischen Luft befriedigen das Tagespensum.
  • Die Menge macht es aus! Portionieren Sie bewusst kleinere Rationen auf dem Teller! Laut einer Studie der Cornell Universität, USA, wird immerzu gegessen, was auf dem Teller liegt, denn erst mit dem leeren Teller signalisiert das Auge dem Gehirn ein Ende der Nahrungsaufnahme. Ein gutes Maß bilden die Hände, die proportional zum eigenen Körperbau mitwachsen. Zwei volle Hände sind im Durchschnitt ein gutes Maß für eine gesunde Erwachsenenportion.
  • Essen Sie bewusst und langsam! Das Sättigungsgefühl im Gehirn stellt sich erst nach 15 bis 20 Minuten ein, weshalb man sich fürs Essen vor allem Zeit nehmen sollte. Wer zu schnell isst, läuft Gefahr, zu viel zu essen, weil er sein Sättigungsempfinden nicht rechtzeitig wahrnimmt. Nehmen Sie sich für jede Mahlzeit mindestens 20 Minuten Zeit, kauen Sie jeden Bissen etwa zwanzigmal und schaffen Sie ein entspanntes Ambiente ohne Ablenkung, in dem Sie sich bewusst aufs Essen konzentrieren können.
  • Auch mit kleinen Tricks im Alltag können Sie den Stoffwechsel in Schwung bringen und so Kalorien den Garaus machen. Aktive tauschen zum Beispiel das Auto gegen das Fahrrad, nehmen die Stufen statt der Rolltreppe, tollen mit dem Nachwuchs am Spielplatz oder verausgaben sich im Haushalt.
  • Drei Mahlzeiten am Tag sollten es schon sein, um Heißhungerattacken von vornherein einen Riegel vorzuschieben. Wenn Sie jedoch Zwischensnacks einlegen müssen, um die Leerläufe zu überbrücken, so greifen Sie zu Obst, Gemüse oder Vollkornsnacks.
  • Planen Sie Ihre Einkäufe und legen Sie Listen an, die den spontanen Besuch in der Süßwarenabteilung hinlänglich machen. Außerdem sollten Sie nie hungrig einkaufen gehen, denn dann landet meist mehr im Einkaufswagen als nötig ist.
  • Auch sich selbst sollte man ab und an eine kleine Belohnung gönnen. Anstatt aber das Belohnungsprinzip am Esstisch auszuleben, kann man sich auch mit einem paar neuer Schuhe, einem guten Buch oder einer Massage etwas Gutes tun.
  • Sich etwas gönnen können – auch wenn Ihr Tagesmenü ausgewogen und gesund sein sollte, so kann es nicht schaden, seinem Heißhunger ab und an nachzugeben und sich ein herrliches Stück Kuchen oder eine Rippe Schokolade zu gönnen. Wichtig ist es, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und lernen Sie die Signale Ihres Körpers zu verstehen. Dann können Sie eigentlich gar nicht mehr viel falsch machen!

Anti-Diät-Tag

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen genussvollen Anti-Diät-Tag und rufe Sie offiziell dazu auf, diesen Tag ganz ohne Kalorienzählen zu verbringen. Wahres Glück lässt sich in Zahlen nicht ermessen. Denn wie sagte schon Wilhelm Busch so treffend: „Die Summe unseres Lebens sind die Stunden, in denen wir liebten.

Ihre Mag. Ruth Fischer

Diäten, Essstörungen, Gewicht


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